2021: Aus unserem Vereinsheft: Kein Weihnachtsmann, keine Snegurotschka, aber Geschenke und Ausbildungshilfen

Als wir am 07. Januar 2021 die alljährliche Weihnachtsfahrt antraten, lag zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins ein ausgefallener Erholungsaufenthalt der belarussischen
Kinder hinter uns. Eigentlich war klar: auch 2021 stehen die Signale für eine Einladung der Kinder nach Jena auf „rot“. Umso wichtiger schien es uns drei „Weihnachtsfahrern“, die
Stipendien für unsere Auszubildenden und das Geld für die Weihnachtsgeschenke nach Koselje und Cholmy zu bringen.
Zu Beginn der Fahrt standen viele Fragen offen: Zwischen dem Corona-Test und der Einreise nach Belarus durften nur 72 Stunden liegen – wie sind die Verhältnisse an der Grenze? Woher bekommen wir ein Auto für die Fahrt? Wird uns die politische und / oder die pandemiebedingte medizinische Situation in Belarus einen Strich durch unser Vorhaben machen? Sind die Grenzbehörden in Übereinstimmung mit der Botschaft über unseren Status als offizielle Delegation und lassen uns einreisen? Noch nie stand die Vorbereitung der Fahrt in der Vergangenheit unter solch einem schlechten Stern.

Unser Corona – Test am 07.01.2021 morgens halb neun fiel wie erwartet nach unserer selbstauferlegten Quarantänezeit negativ aus. Durch Unterstützung des Labors bekamen
wir das Ergebnis bereits um 16:30 Uhr und fuhren sofort los. Wir, das waren Timo Wendt, der sein privates Auto für die Fahrt zur Verfügung gestellt hat, Herbert Bartsch und ich.
1000 km Fahrt, die Unruhe stieg ins Unermessliche – Terespol / Brest – die Grenze. Die polnische Kontrolle passierten wir ohne Probleme innerhalb von Minuten. Dann fuhren
wir in den weißrussischen Bereich. 5 Beamte befassten sich nun mit uns. Wir brachten etwas Unruhe in den ungewohnt leeren Grenzabschnitt – wir waren die einzigen Zivilisten.
Nach einer ausgesprochen freundlichen Kontrolle unseres Fahrzeuges und des Gepäcks mit dem mittlerweile zur Routine gewordenen Wiegen der Gepäckstücke verließen wir
nach 1:27 h den Grenzbereich – erleichtert und glücklich. Hatte sich doch der viele Aufwand zur Vorbereitung unseres Vorhabens gelohnt. Im Gepäck führten wir ein 4 Seiten
langes Verhaltens -(politische Lage) und Hygienekonzept, unzählige medizinische, FFP2-und FFP3-Masken und viele Liter Desinfektionsmittel mit.
Knapp 20 Stunden nach dem Start kamen wir in Krasnopolje an. Es war Freitag und wir tranken Tee bei Anschelika Arnoldowna Goman, der Chefin der Kreisverwaltung. Es ist
eine langjährige Tradition, zuerst bei ihr anzuhalten und die neuesten Informationen auszutauschen und das Programm der nächsten Tage zu besprechen. Erfrischend zu sehen
war, wie Anschelika die Tür öffnete, uns strahlend anlächelte, die Arme ausbreitete und ihr Lächeln einen bedauernden Ausdruck annahm: Wir wussten sofort: geknuddelt wird
frühestens 2022 wieder! In ihrem Flur sahen wir griffbereit ihre Masken stehen. Das Desinfektionsmittel bekamen wir ohne Kommentar in die Hand gedrückt. Es war sehr beruhigend für uns, dass hier die gleichen Hygiene-Regeln galten wie zu Hause. Müde und glücklich machten wir für heute in unseren Familien Feierabend.
Samstag früh erwartete uns bereits der Händler zur Abholung der Geschenkebeutel für unsere Kinder. Der Inhalt der Geschenke wurde auf knapp 13 € aufgestockt. In den Transporter des Händlers bekamen wir nicht alles hinein. Ruckzuck erklärte sich Iwan bereit, seinen PKW zur Verfügung zu stellen. Bezahlen, umladen und ab ging es mit den Kisten und Mandarinenstiegen in die Schule nach Koselje.

Aus Gründen der Infektionsgefahr konnten wir die Studenten und Auszubildenden am nächsten Tag nicht, wie gewohnt, in die Schule bestellen. Im letzten Jahr hat sich die
Übergabe der Stipendien wie ein kleines Absolvententreffen gestaltet. Alle waren froh, sich zu sehen und keiner ging mit seinem Stipendium sofort nach Hause. Es ergab sich
eine tolle Atmosphäre aus Erzählen, Lachen, Neckereien und sorglosem Zusammensein. In diesem Jahr übergaben wir das von Sponsoren bereitgestellte Geld an 24 Auszubildende
auf der Straße im Freien. Insgesamt sind das über 8000 Euro. Viele Absolventen erhielten ihre Ausbildungshilfe auf dem elterlichen Hof. Die Schutzmaske war für uns und unsere Absolventen auch auf der Straße Pflicht. Wir trafen aufeinander, lächelten uns über die Maske hinweg an, breiteten die Arme auseinander, hoben bedauernd die Schultern und wussten: es wird wieder anders …

Nachhaltigkeit unserer Arbeit
Immer wieder kommt die Frage auf, ob unsere Hilfe dort noch gebraucht wird bzw. ob dieses kleine Stipendium von 30 Euro im Monat denn eine Erleichterung darstellt. Dazu
hatten wir folgendes Erlebnis: Schenjas Mama holte für ihren Sohn das Geld bei mir ab, weil er gerade zur „Sessia“ – Prüfungszeit- in der Uni anwesend sein musste. Sie freute
sich sehr, dass ihr Sohn diese Unterstützung bekam, hegte er doch seit seiner Kindheit den Wunsch, Agronom zu werden. Sie ist alleinerziehend, der Vater ist in Russland verschollen und für tot erklärt worden. Um sich und ihren Sohn über die Runden zu bringen, arbeitet sie an 4 Arbeitsstellen. Als sie die Höhe des Stipendiums erfährt, schlägt sie sich erschrocken die Hände vor den Mund, muss die Tränen unterdrücken und stottert: „Was, so viel?“ Ein anderes Mädchen, das Friseurin werden wird, erzählte, dass sie zur Unterstützung ein Mittagessen in der Schule bekommt. Auf meine Frage, wovon sie denn Essen und Kleidung kauft, antwortetet sie: „Das bezahlt meine Schwester, bei der ich wohne.“ Weniger romantisch als in den zurückliegenden Jahren gestaltete sich die Übergabe der Geschenke in den beiden Kindergärten und in der Schule, in den zwei Kinderhäusern und in der Förderschule. In diesem Jahr erhielten die Kinder ihre Geschenke einfach so. Nicht von in aufregenden Kostümen steckendem Weihnachtsmann oder der von den kleinen Mädchen geliebten Snegurotschka. Trotzdem stellten sich die Kleinen gleich, als sie uns in den Kindergarten kommen sahen, in Position, um eifrig ihre Gedichte zum Weihnachtsfest aufzusagen. Auch die Kinder in der Förderschule zeigten voller Begeisterung einen Teil ihres Programmes. Eine große Hilfe war den Kindern bei der Vorbereitung dieses kleinen Kunstwerkes eine Multimediaanlage, die im vergangenen Jahr durch eine private Spendenaktion eines Vereinsmitgliedes für die Schule gekauft werden konnte. Die
Hilfe kam unbürokratisch und prompt.

Es war eine Initiative unseres Vereins, Geld zu sammeln, um den Kindern, die im letzten Jahr nicht nach Jena kommen durften, eine Freude zu bereiten. Das Geld kam bei den
Spendenaufrufen zusammen und unser Plan sah vor, einen Bus zu mieten und mit vorherigem Essen und Trinken bei McDonalds den Zirkus in Gomel zu besuchen. Der Zirkus
folgt jedoch seinen eigenen Regeln und geht am 31.03., wie jedes Jahr, in die Sommerpause. So ließen wir das gespendete Geld bei der Direktorin. Es wird eine Fahrt mit dem Bus
nach Minsk geben. Das Delphinarium wäre sicher nicht unsere erste Wahl gewesen, aber so viel Auswahl gibt es in Belarus nicht. Immerhin gibt‘s dann noch eine Fahrt für alle mit
der Pioniereisenbahn … und ein „Erlebnisessen“ bei McDonalds sowieso.

Von den Spendengeldern bestellten wir über das Internet dann noch eine Geschirrspülmaschine für die Schulküche und kauften einen Fleischwolf für die Küche im Kindergarten
in Cholmy. Timo übergab 1500 Euro seiner Sponsoren an die Förderschule in Krasnopolje für einen neuen Spielplatz. Zu lange fahren wir bereits in diese Stadt und betreuen unsere
Dörfer, als dass auch nur einen Moment Zweifel kämen, dass das Geld zweckentsprechend verwendet wird. Die Quittungen werden, wie immer bei solchen Aktionen, unmittelbar
nach Kauf bzw. Bezahlung bei unserem Verein eintreffen. Persönliche Einladungen nahmen wir in diesem Jahr in andere Familien nicht an. Auch unsere Gastgeber luden keine weiteren Personen zu sich ein, solange wir zu Gast waren. Aber diese Zeit war nach 6 Tagen vorbei und am Donnerstag traten wir die Rückreise an. Freitag früh waren wir wieder in Jena. Vorschriftsgemäß hatten wir uns auch vorher beim Onlineportal zurückgemeldet und unterzogen uns in Jena sofort einem erneuten Covid19-Test. Bereits am Freitag- nachmittag wussten wir, dass wir im gesamten Zeitraum unserer Fahrt „negativ“ waren. Beruhigt saßen wir unsere geforderte 10-tägige Quarantänezeit ab. Timo und Herbert durften diese dann mittels erneutem negativen Test nach 5 Tagen beenden. Das für die Fahrt entwickelte Hygienekonzept hatte sich bewährt. Die Kosten für die Tests und die verwendeten FFP2- und FFP3 – Masken haben wir privat getragen.

Dankeschön!

Die Vorbereitung und Durchführung dieser ganz besonderen Weihnachtsfahrt hat uns sehr viel reicher an Erfahrungen gemacht und unser Vertrauen in die Hilfsbereitschaft der
Menschen gestärkt. Wir waren überwältigt von der Anteilnahme der Jenaer, der Thüringer, den Vertretern der Medien, unserer Freunde, ehemaliger Gastfamilien und Mitstreiter,
die uns darin bestärkt haben, alles zu tun, um diese Fahrt erfolgreich und gesund durchzuführen. Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten war diese Fahrt für mich die
eindrucksvollste, weil ich erfahren durfte, dass die Bereitschaft zur Hilfe für die Menschen dieser Region keine Floskel ist, dass Tschernobyl im Gedächtnis der Menschen immer
noch präsent ist und dass uns von so vielen Seiten Glück für das Gelingen dieser kleinen Mission gewünscht wurde. Dafür gilt allen Unterstützern ein riesengroßes Dankeschön!
Constanze Gebauer

Diesmal wurden die Weihnachtsbeutel praller gefüllt. Mit 12 Euro pro Geschenk konnten wir so jedem Kind in den 14 Dörfern eine große Freude bereiten. Für diese Summe bekamen wir einen Weihnachtsbeutel mit ca. 3,5 kg der obengenannten Leckereien.

Zirkusbesuch und Delphinarium in Minsk

Der geplante und von vielen Sponsoren finanzierte Zirkusbesuch in Gomel für die Kinder, die 2020 nicht nach Jena kommen konnten, konnte 2020 nicht stattfinden. Stattdessen besuchten diese Kinder im Mai 2021 das Delphinarium in Minsk.

Hier einige Bilder:










 

 

Auf Wunsch der Schule in Koselje kauften wir noch einen Industriegeschirrspüler.

 

 

 

 

 

 

Nicht zu vergessen, 25 Auszubildende, die Dank zahlreicher direkter Sponsoren ein „Taschengeld“  von uns bekommen haben.

 

Das Jolka-Fest

Neujahr in Russland, Belarus und Ukraine

Das Neujahrsfest am 31. Dezember ist das wichtigste Familienfest des Jahres. Es wird lang ersehnt und aufwendig vorbereitet. Weihnachten (russ. рождество) wird dagegen erst nach dem Neujahrsfest (russ. новый год) am 7. Januar begangen.
Großväterchen Frost (russ. Дед Мороз), der Tannenbaum (russ. ёлка) und Geschenke gehören dagegen zum Neujahrsfest.

Aus der Geschichte

Das Fest hat eine reiche Geschichte, obwohl es ziemlich “jung” ist. Gegen Ende des Jahres 1699 hat Zar Peter der Erste (Peter der Große) einen Erlass veröffentlicht, in dem er befahl, das Neujahr am 1. Januar zu feiern und dazu alle Häuser mit Fichten-, Tannen- und Wacholderzweigen zu schmücken. Davor begann das neue Jahr am 1. September, an dem Tag, an dem alle Tribute und Geldabgaben gezahlt werden mussten.
Die Tannenbäume erschienen in Russland etwas später, sie wurden zuerst mit Holzspielzeugen, Nüssen, Obst und Süßigkeiten geschmückt, ungefähr 1850 kam der Glasschmuck in Mode. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde das Fest aufgehoben, der 1. Januar wurde zu einem Arbeitstag und alles, was zu diesem Fest gehörte, wurde verboten. 1937 wurde die Tradition der Neujahrsfeier wieder ins Leben zurückgerufen, die erste sowjetische Jolka (so klingt das Wort “Tanne” auf Russisch) wurde in Moskau aufgestellt und im Fernsehen gezeigt. Und im nächsten Jahr wurde das Fest schon überall im Lande gefeiert. Erst 1947 wurde der 1. Januar für arbeitsfrei erklärt, wie er es vor der Revolution war.

Wie wird gefeiert?

Die Vorbereitungen auf das Neujahr beginnen schon Mitte Dezember. Die Straßen, die Geschäfte, die Büros werden geschmückt, in der Stadt sind schon Mitte Dezember viele geschmückte Tannen zu sehen. In fast jeder Stadt wird die Haupttanne auf dem Hauptplatz aufgestellt, in der Regel ist es die größte und die schönste Tanne der Stadt. Dazu kommen noch Schnee- und Eisfiguren und verschiedener elektrischer Schmuck.
In allen Kindergärten werden für die Kinder Ende Dezember Feste veranstaltet. So ein Fest wird auch “Jolka” genannt. In einem großen Raum wird ein Tannenbaum aufgestellt und geschmückt. Die Kinder legen ihre Festkleidung an. Sie singen auch Winter- und Neujahrslieder, führen einen Reigen um die Tanne auf und spielen kleine Stücke.
Als beliebtestes Fest ist das Neujahrsfest vor allem auch ein Familienfest. An den letzten Dezembertagen wird ein Tannenbaum besorgt und im Wohnzimmer aufgestellt. Der geschmückte Tannenbaum steht traditionell bis zum 14. Januar. Nach dem alten Kalender feierte man das Neujahr in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar, in Russland nennt man das “das alte neue Jahr” (und es wird auch mit Freunden und in den Familien gefeiert).
Ein wichtiger Teil der Feier ist auch das Wünschen, während die Uhr 24 Uhr schlägt. Man glaubt, die sehnlichsten Wünsche, an die man in der Neujahrsnacht denkt, werden im neuen Jahr in Erfüllung gehen. Die eigentliche Neujahrsfeier startet ungefähr um 22 Uhr. Man beginnt zu essen und zu trinken, etwa 15 Minuten vor Mitternacht erhebt man ein Glas Sekt und trinkt auf das alte Jahr, “man verabschiedet sich vom alten Jahr”.

 

Das berühmteste Neujahrslied „Das Tännchen“, russ. ёлочка) wurde von der Lehrerin Raisa Kudaschewa 1903 geschrieben und erzählt von einer kleinen Tanne  (Jolka), die im Walde geboren wurde und am Ende zu den Kindern kommt, um ihnen Freude zu  bereiten.
 

Lied vom kleinen Tannenbaum (В лесу родилась ёлочка)